Logo Finkeldei

Texte

Karl Otto Götz zu Bernd Finkeldei

Für Bernd Finkeldei

Es ist eine Binsenwahrheit, daß man als Lehrer eine Hochbegabung meist schon während ihres Studiums erkennt. So ging es mir mit Bernd Finkeldei (43), dem Düsseldorfer Maler Obwohl er nicht mein Schüler war, so fielen mir seine Arbeiten schon 1972/73 auf, als er noch bei Rissa an der Düsseldorfer Kunstakademie studierte.

Unvergesslich sind mir jene Bilder, auf denen Finkeldei als Motiv Papierknäuel in Plastikhüllen darstellte. Es waren sehr malerische, lockere Strukturen, die noch nicht jene klare Gliederung aufwiesen, die kurz darauf einsetzte. Bilder wie „Gewächs-Hausfrauen" (Sammlung der Stadtsparkasse Düsseldorf) und „Wannenfrau" sind bereits typisch für sein späteres Werk. Diese Malerei hob sich drastisch ab von den damals vorherrschenden künstlerischen Tendenzen.

Finkeldeis Bildideen kreisten meist um figürliche Darstellungen oder um kleine, anspruchslose Gegenstände in vergrößerter Form. Anstelle einer mehr oder weniger naturalistischen oder expressiven Malweise bediente er sich einer flächigen Binnen­gliederung, einer sehr disziplinierten Tektonik, die den Gegenstand mit seinem Umfeld verband. Das Verblüffende an dieser Art der Darstellung war die malerische Komponente: Die Verzahnung kleiner und kleinster Flächen mit den angrenzenden größeren verlief (scheinbar) zwanglos wie der Duktus einer Primamalerei. Nur weist Finkeldeis Malerei keinen spontanen Duktus im klassischen Sinn auf. Sondern - und dies ist seine ureigene Erfindung - die Flächen, ob groß oder klein, sind sorgfältig gemalt, d.h. in Abstufungen gesetzt.

Ich erinnere mich an das Jahr 1977, in welchem Finkeldeis Schaffen einen ersten Höhepunkt erreichte. Ich betrat sein Atelier und erblickte eine Reihe mittelgroßer Bilder, die mir im ersten Augenblick wie ungegenständliche Darstellungen vorkamen, bis Finkeldei mir verriet, daß es sich um vergrößerte Zigarettenkippen handelte. So brillant war ihm die Verzahnung von Zwischenräumen und gegenständlichen Form­elementen gelungen, dass man im ersten Augenblick beides nicht voneinander zu trennen vermochte; denn beides erschien gleich wichtig.

Aber bereits 1979 (Landschaft mit toter Hummel) packte Finkeldei ein künstlerisches Problem an, das ihn bis heute beschäftigt: Landschaftliche Ferne und davor, ganz nahe am Betrachter, ein kleiner, meist trivialer Gegenstand oder ein Fragment davon. Der Kontrast von Nähe und Ferne, von klein und groß ist in seiner Malerei deshalb so faszinierend, weil beides gleichzeitig präzise und scharf zu sehen ist. Beim natür­lichen Sehen in unserer Umwelt ist dies eben nicht möglich.

Finkeldei hat es in einem kürzlich veröffentlichten Text einleuchtend erklärt: Das Auge stellt sich entweder auf die Ferne ein, dann erscheint ein naher Gegenstand unscharf. Oder umgekehrt: Wenn ich einen nahen Gegenstand fixiere, dann erscheint die Ferne unscharf. Finkeldei hat dieses Dilemma in seiner Malerei künstle­risch überwunden und damit etwas Neues geschaffen.

In seinen Bildern von 1988 „Rauchglas" „Begegnung" oder „Asche im Azur" ist die Nähe und der Gegenstand selbst kaum zu identifizieren. Es sind rhythmisch ­schwebende oder im Vordergrund herausragende phantastische Gebilde, die mit der Ferne kontrastieren und ein poetisches Ganzes bilden. Diese Bilder sind für mich ein erneuter Höhepunkt in Finkeldeis Schaffen.

Solch künstlerische Ideen, die auf eigenem Mist gewachsen sind, genau das ist es, was heute selten gefragt ist. Man sehe sich doch die aktuelle Szene an: Es stinkt vor Langeweile. Hunderte von jungen und nicht mehr ganz jungen Galerien in den Großstädten und in der Provinz brüsten sich in Wohltäter-Manier mit dem abge­droschenen Argument, junge Künstler mit neuen Ideen fördern zu wollen. Was sie in Wirklichkeit fördern, ist meist Kunst aus zweiter und dritter Hand, von Malern, Plastikern und Kästchenbauern, die in schamloser und unverfrorener Weise die Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts als Selbstbedienungsladen mißbrauchen. Ein Großteil dieser Arbeiten wird bald auf dem Misthaufen der jüngsten Geschichte landen. Umweltverschmutzung durch Kunst Wahrlich ein böses Wort...

Verglichen mit dem unoriginellen und hilflosen Gestammel so vieler postmoderner Maler, hat Finkeldeis disziplinierte und einfallsreiche gegenständliche Malerei mit ihrem hohen Abstraktionsgrad eine sichere Zukunft.

K.O.Götz  1990